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Andreas Platthaus: Der Geist Hergés und eine „Unbekannte“

Tim in Deutschland

Ein Mann sucht seinen Weg: Andreas Tolxdorf hat bereits fünf Bände einer Detektivserie nach klassischstem Vorbild im Eigenverlag herausgebracht.

Die Wirkung von Hergé ist auch 35 Jahre nach dem Tod des belgischen „Tim und Struppi“-Zeichners verblüffend. Vergessen wir einmal seinen Ruf als Übervater des europäischen Comics, also eine historische Rolle, und schauen nur darauf, wie er durch junge Nachfolger rezipiert wird. Zum Beispiel durch den 1982 geborenen Andreas Tolxdorf aus Hannover. Seine Albenserie „Benno Bonnet, Privatdetektiv“ ist ganz im Geiste Hergés entstanden. Das hört beim französisch klingenden Namen des Helden an und hört bei typischen Figurenkonstellationen und Hsndlungverläufen noch lange nicht auf. Eher müsste man sagen, was nicht wie bei Hergé ist; den damit wäre man schneller fertig. Zum Beispiel die Seitenzahl der Alben: Statt 62 bei „Tim und Struppi“, sind es bei „Benno Bonnet“ jeweils nur 48.

Aber Andreas Tolxdorf verlegt ja auch nicht bei einem großen oder auch nur mittleren Verlag, sondern selbst, und das schon seit 2010, als der erste Band seiner Serie, betitelt mit „Grachten, Steine und Ganoven“, herauskam. Der stellte die Bachelor-Abschlussarbeit des Grafikdesign-Studenten an der Fachhochschule Hannover dar und nahm die graphische und erzählerische Handschrift Hergés bereits in Vollendung auf (leider gibt es keine Leseprobe im Netz, aber bei diesem Stil weiß ja eh jeder, wie das aussieht): die charakteristische Statik der Figuren, die kontrastreiche Farbpalette, den Textreichtum, die Selbstgespräche der Titelfigur während ihrer Abenteuer. Und dann die lebevolle Idee, jedem Cover eine Visitenkarte des Titelhelden aufzukleben. Nur das Lettering der Texte war noch sehr ungelenk, doch dieses Manko hat Tolxdorf schon zwei Jahre später im Folgeband „Tödliche Fracht“ ausgeräumt – einem Album, für das ihm Samuel Mund das Szenario geschrieben hatte.

Doch bei dem Doppelband – auch das ein typisches Element des Hergéschen Schaffens – „Balthazars Almanach“ und „Das Geheimnis von Port-Noir“, erschienen 2013 und 2016, war Tolxdorf wieder allein für Geschichte und Zeichnungen verantwortlich. Mit Rakim Mbutu, einem ehemaligen Interpol-Ermittler aus den Niederlanden, hat der wie sein Autor in Hannover lebende Benno Bonnet einen festen Mitarbeiter an die Seite gestellt bekommen, der schon im ersten Band eine kleine und im zweiten eine große Nebenrolle spielen durfte. Und mit Erik van Brook, auch bereits seit dem ersten Teil dabei, wurde eine feste Nemesis à la Rastapopoulos geschaffen, die hinter allen Schlechtigkeiten auf der Welt steckt, ob in Amsterdam, Brüssel, Hannover oder Frankreich. Tolxdorfs „Benno Bonnet“ schien auf dem besten Weg zum deutschen „Tintin“.

Pech nur, dass die Geschichte des Doppelbandes nicht überzeugte, weil die grundlegende Intrige nicht für neunzig Seiten taugte. Zudem spielten davon zwanzig in einem unterirdischen Höhlensystem, und da merkte man, was den Unterschied zu einem Hergé ausmacht. Der hätte nämlich Wege gefunden, auch Szenen im Dunkeln anschaulich zu machen – oder aber nicht einen so großen teil des Geschehens dorthin verlagert. Konsequenterweise hat sich Tolxdorf für den vor kurzem erschienenen fünften Bonnet-Band, „Ein Herz für Sarajevo“, wieder eine Szenaristen gesucht.

Der heißt Elias Mund (alias El Mundo), und wie er zu jenem Samuel Mund steht (verwandt, identisch oder zufällig nachnamensgleich), der Teil zwei geschrieben hat, weiß ich nicht. Jedenfalls tut eine Mitwirkung der Serie sehr gut, denn „Ein Herz für Sarajevo“ ist klassischer Abenteuerstoff, der genau die richtige Länge hat. Der Begin ist spektakulär – ein Attentat mitten in Hannover –, doch dann verlagern sich Beno Bonnets Ermittlungen rasch nach Sarajevo, wo eine ganz andere Verschwörung aufgedeckt wird, als man meinen sollte. Und da gleich zu Beginn beim Attentat auch Rakim Mbutu schwerverletzt wurde, ist Bonnet diesmal auf sich allein gestellt (wenn auch nicht ohne Hilfe eines anderen Gefährten).

Dadurch bekommt die Serie einen neuen Dreh, und es passt, dass auch der Erzschurke Van Brook nur zu Beginn erwähnt, aber dann überraschend nicht Teil der Handlung des neuen Albums wird. Das ist aber wieder ganz in Hergés Geist, der ja Rastapopoulos auch nicht in jedem „Tintin“-Album auftreten ließ. Die Zeichnungen von Tolxdorf sind noch etwas klassischer geworden, haben jedoch nun noch ein anderes prominentes belgisches Erbe angetreten: das von Maurice Tillieux und dessen Detektivserie „Jeff Jordan“. Vor allem die Bilder, in denen sich Bonnet und sein neuer Helfer maskieren, sind wie eine Verschmelzung von Hergé und Tillieux, den die beiden Protagonisten bei Tolxdorf sehen nun aus wie Jeff Jordan und Kapitän Haddock. dazu tragen für beide Altmeister charakteristische Handlungsorte wie Burgen oder Hotels zusätzlich bei.

Keine besonders eigenständige Rolle spielt allerdings die Stadt Sarajevo. Was Elias Mund sich ausgedacht hat, könnte überall auf der Welt spielen – hier kann die Serie in Zukunft noch zulegen, was Lokalkolorit angeht, wenn es schon weiter quer durch Europa gehen sollte. Doch erst einmal ist Tolxdorf nach fünf Alben in kompletter verlegerischer Eigenregie auf der Suche nach einem etablierten Haus, das die Serie übernimmt. Bislang hat er jeweils ein paar hundert Exemplare jedes Bandes drucken lassen, und der Vorrat an alten Ausgaben ist dahin. Nachdrucken aber ist ein Risiko, das für einen Selbstverleger zu groß wäre. Angesichts des sehr ansprechenden neuen Bandes dürfte Andreas Tolxdorf gute Argumente für einen größeren Verlag haben. Und mit „Keule und Beule“, einem im Funny-Stil gehaltenen Abenteuercomic über Vater und Sohn in der Steinzeit hat er auch noch ein neues Projekt, das weiter in Eigenregie laufen könnte, wenn das Herz des Zeichners zu sehr an solchem Engagement hängen sollte. „Benno Bonnet“ aber hat jetzt einen Weg eingeschlagen, der die Reihe zu größerem Publikum führen sollte. Wobei wir handgeklebten Visitenkarten auf den Covern natürlich arg vermissen würden …


Produktive Verstärkung

Anna Sommers Comic „Das Unbekannte“ weckt Unbehagen. Ist das eine Stärke oder eine Schwäche?

Anna Sommer ist ein Wunder. Mit Schere, Klebstoff und bunt gemusterten Papieren macht sie aufwendige großformatige Collagen, die sowohl Augen- als auch Verstandesmenschen begeistern, und mit der Feder zeichnet sie in strengem Schwarzweiß und kühler Linie Bildergeschichten, die vor allem Verstandesmenschen ansprechen und weniger die Augenmenschen. Das liegt nicht daran, dass die fünfzigjährige Schweizerin schlecht zeichnet, sondern dass sie Ihre Figuren ungeschönt als das darstellt, was sie sind: Alltagspersonen mit all den profanen Problemen, die auch die Leser beschäftigen. Was großes Drama nicht ausschließt.

Über Sommers neuen Band, „das Unbekannte“ (erschienen bei der Edition Moderne in Zürich und natürlich schon vorher in französischer Übersetzung, denn die Zeichnerin ist in Frankreich ungleich populärer als im deutschen Sprachraum; dort war „Das Unbekannte“ auch beim diesjährigen Comicfestival von Angoulême in der Endauswahl), hatte ich von einem geschätzten Kritikerkollegen, der selbst ein großartiger Autor ist, Unbehagen vernommen. So richtig heraus mit der Sprache, was ihn gestört hat, wollte er indes nicht, ehe ich den Band selbst gelesen hätte. Das ist nun geschehen. Und ich bin anderer Ansicht.

Nicht, dass mir der Band behaglich wäre. Das ist ohnehin ein Wort, was nicht zum Schaffen von Anna Sommer passt, auch nicht zu den Collagen, die man bisweilen gefällig nennen könnte (weshalb sie damit auch als Illustratorin gut im Geschäft ist), ohne dass dabei aber etwas Banales gemeint sein könnte. Mit gefällt der neue Comic deshalb, weil er kompromisslos Unbehagen erzeugt und damit sein Publikum vor Selbstprüfungen stellt: Inwieweit verdankt sich das dem bewusst schematisierten Stil der Zeichnungen, die auf Detailfülle und ansprechende Figurengestaltung verzichten, oder ist mit dem Thema von „Das Unbekannte“ etwas berührt, das ans Innerste dessen rührt, was uns ausmacht.

Die Frage stellen, heißt sie beantworten: Natürlich nehme ich Letzteres an. Gegenstand der Bildergeschichte, mit neunzig großformatigen Seiten der längste Comic, den Anna Sommer gezeichnet hat, ist die Unfähigkeit einer jungen Frau namens Vicky, ihre Schwangerschaft zu akzeptieren – zu tief schneidet die künftige Mutterrolle in ihr Selbstverständnis einer jungen freien Frau ein. Also setzt sie das Baby nach der Geburt in der Umkleidekabine eines Bekleidungsgeschäfts aus, wo es von einer anderen Kundin, Helen, gefunden und mitgenommen wird. Helen aber hat einen Lebensgefährten, der sich kein Kind vorstellen kann, also muss sie ein Doppelleben zwischen Mann und Baby beginnen. Was Stoff für eine Komödie sein könnte, ist bei Anna Sommer ein Drama.

Aber eines ohne oberflächliche Dramatik, und diese Verweigerung einer eindeutigen Position zum Geschehen dürfte die Schwierigkeiten ausmachen, die der Comic bei einzelnen Lesern erweckt. Hier wird keine moralische oder gar politische Position bezogen, sondern ganz kühl – so kühl wie die Linie – von einem unerhörten Ereignis berichtet: Eine Novelle ist diese Geschichte, ganz gegenwärtig in der moralischen Indifferenz von Akteuren und Autorin. Das passt in keinen Kasten, und konsequenterweise hat Anna Sommer auch auf jede Einkastelung ihrer Einzelbilder verzichtet – ein wiederkehrendes Stilelement ihrer Comics seit mehr als zwanzig Jahren. Man merkt, wie stark der Einfluss der Autoren der französischen Zeichnergruppe L’Association auf die Schweizerin gewesen ist, vor allem an den Zeichner Killoffer wird man erinnert, an dessen ähnlich schonungslose Erzählweise, die aber Selbstentblößung ist, während Anna Sommer verschlossene Charaktere vorführt. Deshalb stellen beide graphisch enge Verwandte dar, während sie erzählerisch denkbar weit voneinander entfernt sind.

Wohin der Ausgangskonflikt (der schon auf der zweiten Seite eingeführt ist, wobei es aber noch einige Zeit braucht, bis man die Konstellation versteht) führt, dass darf man nicht einmal andeuten, wenn die produktive Verstörung gewahrt bleiben soll, die dieser Comic gewährleistet. Keine leichte Kost, nicht der Gewalt wegen (die gibt es bestenfalls psychisch) oder der offenherzigen Sexszenen (da hat Anna Sommer eine verwandte Seele in ihrer Kollegin Ulli Lust), sondern deshalb, weil es keine Sympathieträger in dieser Geschichte gibt. Das ist da wahre „Unbekannte“ des Titels.

Daniel Sibbe: „Mein Vorbild Sondermann…“ (6)

Daniel Sibbe, Sondermann-Stipendiat 2017, hat sein Ziel fast erreicht. Nur welches? Zuvor plagen ihn allerdings noch einige Zipperlein an Leib und Seele (Kopf, Kopf und Kopf).

MEIN VORBILD SONDERMANN… und was daraus wurde (Folge 6)

Erste letzte Züge

Um nach einer schmerzhaften, aber äußerlich nicht sichtbaren Zahnwurzelbehandlung das den Schmerzen angemessene Mitleid zu erzeugen, sollte man zusätzlich zum betäubten, herabhängenden Mundwinkel auf dem Nachhauseweg noch einen Arm schlaff nach unten baumeln lassen und ein Bein nachziehen. Bedauernde Blicke und Worte („… noch so jung!“) garantiert!

D1353 M1TT31LUNG Z31GT D1R, ZU W3LCH3N GRO554RT1G3N L315TUNG3N UN53R G3H1RN F43H1G 15T! 4M 4NF4NG W4R 35 51CH3R NOCH 5CHW3R, D45 ZU L353N, 483R 91TTL3W31L3 K4335T 77 145 50 8D364C65833 5C7738 441F1 03T5T37, 8123 44 5455 4TT4L 9455 35 1134 97LK 565F8932 785 H729 H58D 815 06651 0965 01758 54555440440541 N4844 77CH4RT 29501 896029 /%**§$«(!‘## 1D10T!

Ich, Mitte dreißig und nach wie vor Single, ertappe mich in letzter Zeit immer häufiger dabei, mit Wehmut auf die langjährigen Beziehungen in meinem Bekanntenkreis zu blicken. Bisweilen fehlt es mir doch sehr an dieser innigen partnerlichen Verbundenheit, die sich zum Beispiel in der liebenswürdigen Schrulle äußert, einander die Sätze gegenseitig zu ergänzen. Auch meinen Freunden ist diese Melancholie nicht verborgen geblieben. Ihre Sorge, ich hätte aufgrund meines Alleinseins mittlerweile depressive Züge und eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung entwickelt, die therapeutischer Hilfe bedarf, teile ich allerdings nicht. Das kann nämlich schließlich keiner besser beurteilen als …

Du, Schatz!

(Fortsetzung folgt)

Zwei Altmeister geben sich bei Comic-Blogger Andreas Platthaus die Ehre

Frischzellenkur für den Veteranen

Zum achtzigsten Geburtstag von „Spirou“ erzählen Yves Sente und Laurent Verron die Ursprungsgeschichte des Pagen überraschend neu. Und zwei weitere Überraschungen folgen noch in diesem Jahr.Was ein Greis so alles an Jugendfrische provoziert! Der Greis – das ist Spirou, Titelheld der zweitberühmtesten belgischen Comicserie, die allerdings gegenüber der berühmtesten – „Tim und Struppi – den Vorzug hat, immer noch fortgesetzt zu werden. Zwar mag man manchmal daran zweifeln, ob das wirklich ein Vorzug ist (ich sage nur: „Fantasio heiratet“), aber kommerziell ist eine achtzigjährige ununterbrochene Publikationsgeschichte natürlich ein Traum. Und ästhetisch kann es ja auch anders zugehen als im Debakel-Band „Fantasio heiratet“. Das wird in diesem Jubiläumsjahr mindestens dreimal der Fall sein.

In dieser Woche erscheint zunächst einmal bei Carlsen auf Deutsch ein neuer Spirou-Band namens „Sein Name war Ptirou“. Kein Druckfehler! Der Held dieser von Yves Sente geschriebenen und von Laurent Verron gezeichneten Erzählung heißt tatsächlich „Ptirou“. Er ist auch nicht Spirou, jedenfalls nicht der, den wir heute kennen. Aber dazu später mehr. In wenigen Wochen kommt dann als zweite Frischzellenkur für die „Spirou“-Serie ein vom deutschen Zeichner Flix gezeichneter Band namens „Spirou in Berlin“ heraus. Was man auf dem Erlanger Comicsalon davon sehen konnte, gibt zu schönsten Erwartungen Anlass. Und dann hat nach jahrelanger Vorarbeit auch der derzeit beste „Spirou“-Zeichner, Emile Bravo, sein neues Werk „Schlechter Start in neue Zeiten“ fertig. Wie umfangreich es genau wird, ist wohl immer noch unbekannt, aber angekündigt sind mittlerweile mindestens drei Bände, und der erste weist schon achtzig Seiten auf. Im Oktober ist es auf Deutsch so weit.

Aber nun erst „Sein Name war Ptirou“ (eine Leseprobe des französischen Originals findet sich hier), der wahre Jubiläumsband, denn erzählt wird darin nicht weniger als die Entstehungsgeschichte von Spirou. Die glaubte man zwar eigentlich seit der ersten Seite der Serie aus dem Jahr 1938 geklärt: Rob-Vel, der Erfinder des Pagen, zeichnete sich darauf bekanntermaßen selbst beim Erschaffen der Figur auf einem Zeichenblatt. Er besprüht diesen papiernen Spirou mit Eau de vie, und schon springt der Page von der Staffelei herab und macht einen Diener: „Spirou, zu Ihren Diensten!“

Dieser Ursprungsmythos ist die Keimzelle für „Sein Name war Ptirou“. Sie kommt zweifach zitiert vor: einmal als Übernahme des sich verbeugenden Spirou, und dann noch durch die belebende Wirkung von Parfum. In diesem Band treten auf Rob-Vel (unter seinem bürgerlichen Namen Robert Velter), ein Page auf einem Ozeandampfer (jener Ptirou) und auch das Eau de vie, allerdings jeweils in Rollen, die nicht der Premierenseite von „Spirou“ entsprechen. Yves Sente hat vielmehr eine Erinnerung von Rob-Vel an seine damalige Inspiration zur Grundlage seiner Geschichte gemacht: Das Vorbild für Spirou, so Rob-Vel, sei ihm in Gestalt eines Schiffsjungen begegnet.

So erzählt Sente nun die Reise eines Stewards namens Robert Velter an Bord des Luxus-Liners „Île de France“ auf Atlantiküberquerung im Jahr 1929. Als blinder Passagier schleicht sich ein Waisenjunge aufs Schiff: Ptirou, der ob seiner Pfiffigkeit nach der Entdeckung alsbald als „Spirou“, dem Brüsseler Dialektwort für ein schlaue Bürschchen, bezeichnet wird. Es gilt allerlei Abenteuer an Bord zu bestehen: Sabotageversuche der geplanten Rekordfahrt, das Verschwinden eines überlebenswichtigen Medikaments, heftige Kabbeleien unter der Besatzung und nicht zuletzt amouröse Anfechtungen des frischgebackenen Schiffsjungen durch die Tochter des mitreisenden Reedereibesitzers. Ptirou benimmt sich jeweils heldenhaft, und am Ende ist er tot.

Ja, es wird gestorben in diesem Comic, und doch auch wieder nicht, denn natürlich ist Ptirou als Spirou dann doch unsterblich geworden. Wie das alles so gekommen ist, kann man selbst auf den samt Anhang 75 Seiten des Comics nachlesen, und man wird es aus einigen Gründen nicht bereuen. Denn Laurent Verron hat sich als Zeichner den Spaß erlaubt, diverse Art-déco-Einflüsse in seine Bilder mit einzubauen, um eine zeitgemäße Stimmung zu erzeugen. Und Sente hat als Rahmenhandlung des Ganzen jene in Deutschland nahezu unbekannte Figur des Onkel Paul wiederbelebt, die über Jahrzehnte hinweg im Magazin „Spirou“ als Erzähler der unterschiedlichsten historischen Begebenheiten auftrat, die dort als Comicberichte präsentiert wurden. Hier hätte übrigens im Anhang eine Erläuterung sicher nicht geschadet.

Denn die Idee, das Abenteuer auf dem Ozeandampfer von Oncle Paul (niemand anderer natürlich als der Verleger von „Spirou“ selbst, Paul Dupuis) erzählen zu lassen, erhebt den Anspruch historischer Realität. Und tatsächlich hat Sente sich ja auch an Rob-Vels eigenen Behauptungen zur Genese seiner berühmtesten Schöpfung orientierte, auch wenn das Hauptgeschehen auf der „Île de France“ natürlich reine Phantasie ist. Aber just aus dieser Mischung von Phantastik und Wirklichkeit hat sich immer schon der Hauptreiz von „Spirou“ ergeben – ganz anders als im denkbar realistisch gehaltenen „Tim und Struppi“.

So ist der Auftakte zum Jubiläumsjahr ein denkbar guter. Ob übrigens Frankreich und Belgien, wo „Il s‘appelait Ptirou“ bereits vor einem halben Jahr erschienen ist, auch in den Genuss der oben erwähnten Trias von neuen „Spirou“-Titeln kommen werden, ist noch gar nicht ausgemacht. Denn dass sich der Verlag Dupuis in Brüssel bequemen wird, auch den Band von Flix, der im Auftrag von Carlsen entstand, ins Französische übersetzen zu lassen, ist noch Gegenstand von Überlegungen. Er spielt 1989, dem Jahr des Mauerfalls, in Berlin, während Bravo seinen „Schlechten Start“ 1940 ansiedelt, im Jahr der deutschen Besetzung Belgiens. Zusammen mit dem 1929 spielenden Band von Sente und Verron sind das also drei historische Stoffe, und Flix hat dabei den ungewöhnlichsten Ansatz. Denn dank älterer Alben von Bravo oder auch von Olivier Schwartz haben wir historisierende „Spirous“ aus Zwischenkriegs- und Weltkriegszeit schon einige. Aber ein Abenteuer aus der Phase der deutschen Wiedervereinigung, das ist neu. Und Neues kann wohl jeder Achtzigjährige gut gebrauchen.


Schwarzweißmalerei auf frechste Weise

Der berühmte Karikaturist Gerhard Haderer hat mit Peter Turrinis Skandal-Theaterstück „Rozznjogd“ genau den richtigen Stoff für einen Comic gefunden.

© Haymon

Es gibt mittlerweile genug allgemein bekannte Comiczeichner, als dass die Nachricht, dass ein prominenter Künstler aus anderem Bereich sich an einer Bildergeschichte versucht hat, noch große Aufmerksamkeit finden würde. Und doch hätte Gerhard Haderer, der beliebte österreichische Karikaturist (besonders bekannt durch seine ganzseitigen Bilder aus dem „Stern“, die 25 Jahre lang, von 1991 bis 2016, jede Woche erschienen) es verdient für seinen „Rozznjogd“. Schon allein deshalb, weil er mit traumwandlerischer Sicherheit einen Stoff ausgesucht hat, zu dem sein gnadenloser Zeichenstil bestens passt. Die Vorlage stammt von seinem Landsmann Peter Turrini. Da haben sich zwei Spötter getroffen …

„Rozznjogd“ war Turrinis erstes Theaterstück, geschrieben 1967, als der Dramatiker gerade mal 23 Jahre alt war, aber uraufgeführt erst 1971, und das hatte gute Gründe. Erstmals traute man sich an das Werk eines Anfängers nicht so leicht heran, zum anderen war es ein kompromisslos gesellschaftskritisches Stück, das dann auch noch genug Skandal erregte, als es am Wiener Volkstheater herauskam. Damals war man noch nicht durch die Österreich-Beschimpfungen von Bernhard, Jelinek und eben Turrini abgebrüht, die in den siebziger und achtziger Jahren in dichter Abfolge herauskommen sollten, und „Rozznjogd“ bekam so den gesammelten Zorn der gutbürgerlichen Presse ab. Obwohl seine beiden Figuren jener sozialen Schicht angehören, die man heute als Prekariat bezeichnet. Oder mit der gewohnt amerikanischen Drastik als „white trash“.

Ein Mann und eine Frau sitzen nachts in einem Auto, das vor einer Müllkippe geparkt ist. Der Dialog der beiden stellt binnen kurzem ihre Lebensentwürfe und -lügen bloß, und nicht nur verbal ziehen sie sich bis auf die Haut aus. Als der Morgen dämmert, sind beide tot. Und erst dann greifen noch ein paar Stimmen ins Geschehen ein, die den Rozzn gehören, also den Ratten.

Der nächtlichen Szenerie wegen, hält Haderer seine knapp über hundertseitige Adaption konsequent in Grauschwarz; nur die Scheinwerfer des geparkten Autos werfen einen hellen Lichtkegel, der hier graphisch immer wieder geschickt eingesetzt wird (die Leseprobe lässt es gut erkennen). Alles ist tatsächlich wie auf einer Bühne, außer dass sich Haderer größere Totalen zu Beginn und Schluss erlauben kann, als es ein Theater jemals könnte. Doch gerade die Strenge der ins Bild gesetzten Theatralik ist die größte Stärke dieses Comics, obwohl das paradox erscheinen mag, denn gemeinhin gewinnt eine Adaption, wenn sie sich von der literarischen Vorlage löst. Das tut „Rozznjagd“ aber auch – dadurch nämlich, dass hier zwar Turrinis Figuren spielen, sie aber als typische Haderer-Akteure auftreten: bewusst hässlich proträtiert, Zerr- und Witzfiguren vom ersten Auftritt an. Der Comic gibt damit eine Eindeutigkeit vor, die lebenden Akteuren auf der Bühne schwerfallen würde, wenn sie nicht Gefahr laufen, grotesk erscheinen zu wollen. In einem Comic stört das nicht.

Was auf den ersten Blick auf Haderers „Rozznjogd“ störend wirken könnte, ist die Entscheidung, jeweils auf den linken Seiten die hochdeutsche Übersetzung des im österreichischen Dialekt gehaltenen Turrini-Textes abzudrucken. Solche schriftlichen „Simultanübersetzung“ kennen wir aus Film (Untertitel) und Oper (Übertitel), aber Seitentitel wie hier habe ich noch nie gesehen (wenn man mal von zweisprachigen Gedichtausgaben absieht). Zudem hat Haderer die Panelrahmen und Sprechblasen des fertig gezeichneten Comics auf die jeweils linken Seiten übertragen, so dass die hochdeutsche Fassung eine Art Geisterausgabe des eigentlichen Geschehens bietet – wie Stimmen aus dem Nebel. Aber wenn man sich ans Hinüberspringen von der eigentlichen Comic- auf die Übersetzungsseite gewöhnt hat, erweist sich diese Reduktion als klarer Vorteil.

Zumal dadurch die eigentliche Bildergeschichte nicht zerschlagen wird. Wer das Österreichische gut genug versteht – und es ist selbst für einen Rheinländer wie mich nicht nötig, oft Hilfe von links zu suchen –, der kann einfach für sich die linken Seiten ausblenden. Und der grundlegende Schwarzweißkontrast von Haderers Zeichnungen, bekommt durch die Zweiteilung des Comics in die dunklen Comic- und die nahezu weißen Übersetzungsseiten noch eine Verstärkung. „Rozznjogd“ ist nun mal ein Schwarzweißstück. Ein dickes Lob dem Haymon Verlag, dass sie diese ungewöhnliche Form der Übersetzung gewagt haben.

Überhaupt Haymon. Es ist ja nichts Besonderes mehr, dass literarische Verlage auch Comics ins Programm nehmen, besonders gerne Adaptionen von Romanen oder Dramen (siehe die Bernhard-Comics von Nicolas Mahler bei Suhrkamp, um nur das erfolgreichste Beispiel zu nennen). Aber so wie Suhrkamp klugerweise auch fast nur Suhrkamp-Autoren adaptieren ließ und damit ein eigenes Profil fürs Comicprogramm des Hauses schuf, hat der österreichische Verlag Haymon nun ein österreichisches Traumpaar ausgewählt (obwohl Turrini Suhrkamp-Autor ist und also Haderers Version der „Rozznjogd“) auch dort gut hätte erschienen können. Und bald wird beim österreichischen Residenz-Verlag, der renommiertesten literarischen Adresse des Landes, Bernhards mehrbändige Autobiographie als Comic erscheinen. Unser Nachbarland ist uns in Sachen qualitätvoller Comic-Adaptionen erstaunlich weit voraus.

Andreas Platthaus präsentiert zwei Comiczeitschriften für Jung und Alt und Dazwischen

Mit Stampfen fängt man Muscheln

Anschauliche Ausflüge in fremde Zusammenhänge: Die Comiczeitschrift „Strapazin“ füllt ihr jüngstes Heft ganz mit Comicreportagen.

©Strapazin

Auf dem diesjährigen Comicsalon in Erlangen gab es nicht nur ein faszinierend erfolgreiches neues Segment für Kinder zu sehen, sondern auch im Stadtmuseum eine große Ausstellung zum Thema Comicreportage, die den Vorzug bietet, noch bis Ende August  geöffnet zu sein, während sonst schon fast alles, was der Salon geboten hat, nur noch in der Erinnerung besteht. Wobei man diese Ausstellung auch gerne wieder vergessen kann, denn sie ist wenig inspirierend gestaltet und bietet keine Überraschungen.

Für die sollte man lieber die jüngste, passend zum Erlanger Termin erschienene Ausgabe des Schweizer Comicmagazins „Strapazin“ zur Hand nehmen. Die Nummer 131 dieser längst legendären (auch seiner Langlebigkeit wegen) Publikation widmet sich zur Gänze Comicreportagen, und wie es bei „Strapazin“ üblich ist nicht in der Form theoretischer Abhandlungen darüber, sondern konkret mit Beispielen. Fünf Künstler sind vertreten, und vier davon dürften für die meisten Leser neu sein: Andrew Greenstone aus den vereinigten Staaten, Sharad Sharma aus Indien (obwohl er schon einmal in „Strapazin“ vertreten war), Stefan Vercsey aus der Schweiz und Walter Steffek aus der Bretagne. Die fünfte Zeichnerin ist die einzige richtig berühmte: Ulli Lust. Die in Berlin lebende und in Hannover lehrende Österreicherin ist eine Pionierin der Comicreportage; ihre ersten Publikationen erfolgten vor fast zwanzig Jahren, als das Genre in Deutschland noch unbekannt war. Seitdem hat sie vor allem mit ihren autobiographischen Comics Furore gemacht.

Aber der Reportage bliebv sie immer treu, und so kommen in „Strapazin“ jetzt fünf Episoden aus Ulli Lusts für das englischsprachige Magazin „Ex-Berliner“ gezeichneter Serie „The Simple Stroll“ zum Abdruck. Der schlichte Spaziergang des Titels ist eine Untertreibung, denn so simpel ist es nicht, was Ulli Lust da unternimmt. Alltagsbeobachtungen ja, aber an Berliner  Orten, die nicht selbstverständlich sind wie dem „Berghain“ oder auf dem Friedhof Grunewald. Oder sie dokumentiert private Begegnungen und Gespräche, die ihr skurril erschienen. Hier verbindet sich das Autobiographische und Reportierende aufs Schönste. Schade, dass es bei fünf Episoden geblieben ist.

Auch übernommen aus einem anderen Medium ist Andrew Greenstones Schilderung seiner Teilnahme an einem Ufologen-Kongress in Kalifornien. Der Einfluss seiner Landsleute James Kochalka oder Craig Thompson auf den zweiunddreißigjährigen Amerikaner ist unübersehbar, allerdings fragt man sich, warum „Strapazin“ statt meist zwei nicht jeweils vier seiner Einzelbilder zu einer Seite arrangiert wurden. Erstmals veröffentlicht wurde die Reportage im Netz, und so gibt es kein zwingendes Layout, aber das nun gewählte, lässt so viel Freiraum auf den Seiten, dass es an Verschwendung grenzt und keine  guten Eindruck macht. Darunter leidet auch die Reportage selbst, die ganz neutral bleibt, aber nun übertrieben „künstlerisch“ großzügig daherkommt.

Keinesfalls neutral blickt Sharad Sharma auf seine indische Heimat, wo er den Hindu-Radikalismus im Vormarsch sieht, wie er am Beispiel rabiater Kuh-Schützer zeigt, die in en letzten Jahren mehrere angebliche Rindfleischesser auf offener Straße ermordet oder misshandelt haben. Über das Phänomen hat Martin Kämpchen, regelmäßiger Berichterstatter für das Feuilleton der F.A.Z. aus Indien, mehrfach geschrieben, doch Sharma macht die Gewalt mit einer Mischung aus Agitprop- und Infographik-Ästhetik eindrucksvoll deutlich. Er sieht die ehedem tolerante indische Gesellschaft vor dem Untergang, und natürlich richtet sich die Gewalt vor allem gegen ohnehin schon benachteiligte: muslimische Minderheiten, niedrige Kasten oder gar Menschen, die gar nicht ins Kastensystem kommen wie die Dalit, über die auch schon Joe Sacco, der bekannteste Comicreporter der Welt, eine eindrucksvolle Besuchsschilderung verfasst hat.

Stefan Vercseys Reportage über Hamburger Obdachlosen kann man dagegen beim besten Willen nicht mehr Comic nennen: Es ist eine Folge von Illustrationen zu kurzen Texten. Das mag seine Berechtigung haben, wenn auch die Originalität nicht eben hoch ist. Mal akribisch detailliert gezeichnet wie bei Robert Crumb, mal so locker skizziert wie bei Olivier Kugler, hat Vecseys Stil noch nichts Eigenständiges. Verblüffend, dass ausgerechnet seine Arbeit das Titelblatt von „Strapazin“ (zu sehen hier, dort auch Probeseiten aus den Geschichten des Hefts) schmückt, noch dazu als computergenerierte Montage zweier Einzelbilder. Das Ethos beim Umgang mit dem gelieferten Material ist in der Redaktion in diesem Fall nicht besonders ausgeprägt, und eine Bemerkung im Impressum zu dieser dubiosen Gestaltungspraxis sucht man vergebens.

Schließlich aber versöhnt Walter Witteks nur neuseitige Schilderung seiner Zeit als „pêcheur à pied“, also Fußfischer, an der Nordküste der Bretagne. Steffek war in den späten neunziger Jahren gerade aus Deutschland dort hingezogen, als er sich mit dieser Tätigkeit ein Zubrot verdiente; kleine Truppe gehen bei Ebbe über den Strand und stampfen im feuchten Sand, so dass allerlei Meeresgetier, das noch zurückgeblieben ist, an die Oberfläche kommt und eingesammelt werden kann. Gezeichnet ist das nicht originell, die französischen Vorbilder sind offensichtlich, aber hier herrscht wirklich ein Dokumentationston in Bild und Wort, der eine unbekannte Welt im besten Sinne vorstellt. Ob man von Steffek, der sich erst im Rentenalter, mit Ende sechzig, zum Comiczeichnen entschlossen hat, noch viel sehen wird? Freuen würde es mich.


Kinder, Kinder, das könnte euer Comic sein

Mit „Polle“ startet ein auf Kinder zwischen sieben und zehn Jahre ausgerichtetes deutsches Comic-Magazin, in dem großartige Zeichner witzige Geschichten erzählen.

Als größten Erfolg beim gestern zu Ende gegangenen Erlanger Comicsalon darf man einen neuen Festivalteil bezeichnen, der den verheißungsvollen Titel „Kinder lieben Comics!“ trug. Im Botanischen Garten der Universität, mitten in der Stadt gelegen und wunderschön in frühsommerlicher Blüte, standen zwei Lesezelte vor dem großen Pflanzenhaus, und in diesen drei Schauplätzen sowie reichlich sonnenbestrahltem Freiraum dazwischen spielte sich ein buntes Kinderfest rund um Lesungen, Workshops und ausgehängte Zeichnungen ab. Und nicht zuletzt bekam hier jeder, der es wollte, das erste Heft von „Polle“.

Das ist der Name eines neuen Comic-Magazins für Kinder, ausgerichtet auf ein Alter von sieben Jahren an. Erdacht haben es Jakob Hoffmann, Ferdinand Lutz und Dominik Müller, alle drei in der Comicszene wohlbekannt, Ersterer als Veranstalter wunderbarer Gesprächsveranstaltungen in Frankfurt am Main mit Künstlern, Letzterer als Musiker und Komponist von Liedern zu Comics und Bildergeschichten, und Lutz schließlich, sicherlich der Etablierteste der drei, als Zeichner zahlreicher Kindercomics, nicht zuletzt mit „Rosa und Luis“ für „Dein Spiegel“, das Jugendforum des Nachrichtenmagazins. Wer sehen will, wie diese Geschichten aussehen, der hat hier Gelegenheit dazu. Und natürlich zeichnet Lutz auch kräftig für „Polle“.

Davon allerdings kann man im Netz noch keine Leseprobe finden, denn die Website www.vollepolle.de bietet vor allem die Möglichkeit, das neue Heft zu abonnieren. Sechs hefte sollen pro Jahr erscheinen, die ersten beiden konnten durch eine rasch erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne und Unterstützung des Comicsalons Erlangen schon gesichert; danach aber wird es mindestens 1500 Abonnenten brauchen, denen die Publikation einen Preis von jährlich 36 Euro wert ist. Geboten wird dafür einiges: inhaltlich wie personell.

Mit Ulf K., Nadja Budde, Philip Waechter, Anke Kuhl, Mawil oder Aisha Franz sind neben Ferdinand Lutz einige weitere der besten deutschen Comiczeichner und Illustratoren am ersten Heft beteiligt und wollen es wohl auch weiterhin sein, wie ihre meist auf Fortsetzung angelegten Geschichten erkennen lassen. Wobei jede einzelne Episode in „Polle“ abgeschlossen ist, sowohl die kurzen Comic-Strips zu Beginn und Abschluss des Heftes als auch die mehrseitigen Erzählungen im Inneren. „Fortsetzung“ heißt also, dass hier populäre Figuren aufgebaut werden, auf deren weitere Abenteuer in späteren Heften man sich freut. Ob das wie bei Anke Kuhl eine eigene Kindheitsreminiszenz ist (aus der man außerdem etwas über Leistenbrüche lernen kann) oder wie bei Ulf K. eine aberwitzig witzig-alberne Raumfahrergeschichte – es allemal ist auch ein Lesespaß für Erwachsene. Zumal Mawil auf der Rückseite des Heftes sogar eigens seine Kultfigur Super Hasi reaktiviert.

Das Heft ist ungewöhnlich kleinformatig: A4, aber das ist perfekt für Kinder. Auf 36 Seiten durchweg farbig gedruckt, enthält es in der Mitte Minicomics zum Selberbasteln (ein bewährtes Element seit der „Micky Maus“ der sechziger Jahre), ein opulentes wildes Wimmelbild auf den Umschlaginnenseiten und ein illustriertes Kinderlied von Dominik Müller mit Noten zum Nachspielen und Mitsingen. Da werden also auch Anregungen geboten, die über ein reines Comic-Magazin hinausgehen.

Entscheiden über den Erfolg von „Polle“ werden die kleinen Leser, bezahlen aber müssen es deren Eltern – oder große Leser. Für die mag Philip Waechters fünfseitige „Toni“-Geschichte ein besonderer Anreiz sein, in der der Frankfurter Zeichner seiner Verehrung für Sempé Raum gibt und dadurch einen wunderbar nostalgischen Comic schafft, der trotzdem ganz gegenwärtig ist und bereits Lust auf den für kommenden Herbst angekündigten ganzen Band mit solchen Geschichten um den jungen Toni macht. „Polle“ könnte sich also auch als Forum für geeignete Kindercomic-Vorabdrucke eignen. Und die Redaktion ist eine kluge Kooperation mit der bereits länger existierenden Kinderzeitschrift „Gecko“ eingegangen, die sich an noch kleinere Leser richtet, so dass es da einen nahtlosen Übergang vom einen zum anderen Magazin geben könnte, wenn das vom Vorlese- ins Lesealter kommende Publikum neue Lektüre sucht. Aber ich – mittlerweile wohl eher im Nachlesealter – werde auch dabei als Leser mit sein, weil hier eine in Deutschland einmalige Versammlung an etablierten Comicautoren geboten wird. Und Talente wird „Polle“ sicher auch noch entdecken.

Ebenso lesens- wie betrachtenswert: „Verdad“ von Lorena Canottiere

Ohne rechten Arm, aber das Herz am rechten Fleck

Lorena Canottiere erzählt in ihrem Comic „Verdad“ ein Frauenschicksal aus dem spanischen Bürgerkrieg. Die Farben sind ihr wichtigstes Ausdrucksmittel.

© Bahoe Books

„Verdad“ ist das spanische Wort für Wahrheit. Als Titel eines italienischen Comics ist es ungewöhnlich, aber da er der Name der Hauptfigur ist, hat es das Wort nun auch zum deutschen Titel geschafft. Denn „Verdad“ ist vom seit kurzer Zeit aktiven Verlag Bahoe Books aus Wien übersetzt worden, was man auch ungewöhnlich nennen darf, weil die Autorin Lorena Canottiere bislang in unserem Sprachraum nicht bekannt war. Das liegt auch daran, dass die 1972 geborene Zeichnerin ihre Comics vor allem in italienischen Zeitschriften publiziert hat; Bücher gibt es noch nicht viele, darunter aber immerhin eines auf Deutsch: „Knirpse“, das allerdings von ihrem Verlag Diabolo Ediciones gleich in mehreren Sprachen aufgelegt wurde – ohne dass das hierzulande bemerkt worden wäre.

Das war aber auch ein Kinder-Cartoonbuch, kein veritabler Comic wie „Verdad“, so dass erst jetzt klar wird, mit was für einer großartigen Zeichnerin man es zu tun hat. Leider bietet Bahoe Books keine Leseprobe an, so dass man sich kein Bild davon machen kann, aber das könnte man auch begrüßen, weil dann die Überraschung erhalten bleibt, wie hier gearbeitet wird. Dass das italienische Original bei Coconino Press erschienen ist, dem Verlag des italienischen Comic-Gurus Igort, ist schon ein Beleg für die Originalität des Projekts, und es gehört denn auch zumindest graphisch zum Interessantesten der letzten Jahre.

Erzählerisch, um das gleich zu sagen, eher nicht, denn das Frauenschicksal im Spanischen Bürgerkrieg wird arg bemüht mit dem gesellschaftlichen Reformentwurf der Kommune des in der Schweiz gelegenen Monte Veritá verbunden – und allein die arg plakative Namensparallele des Berg der Wahrheit mit dem Mädchen namens Wahrheit ist Holzhammerdramaturgie, die geradezu weh tut. Dazu kommt das übliche Liebensgedöns in Kriegszeiten und eine auch nicht eben originelle Generationenkette starker Frauen, aber das alles ist nahezu egal angesichts des zeichnerischen Einfallsreichtums, den Lorena Canottiere walten lässt. Und eine inhaltliche Stärke muss doch gefeiert werden: Dass die Titelheldin gleich zu Beginn bei einem militärischen Einsatz den rechten Arm verliert, macht sie doch zu einer ungewöhnlichen Figur. Verstümmelte Frauen sieht man im Comic selten. Dass Verdad trotzdem im buchstäbliche Sinne bildschön ist, muss man wohl nicht erwähnen.

Erzählt wird von der Verwundung bis zu einem finalen (in jedem Sinne des Wortes) Traum vom alternativen (vor allem friedlichen) Leben in ständigem Zeitwechsel; Kindheits- und Jugendepisoden runden erst nach und nach das Porträt der jungen Frau aus Spanien ab und führen auch die Figur eines Fuchses ein, der zum wichtigen imaginären Begleiter des rothaarigen Mädchens wird. Rot ist ohnehin die zentrale Farbe dieses Comics, und dessen Farbdramaturgie ist – man verzeihe das Wortspiel – ausgefuchst. Natürlich steht das Rot für die Linke im Kampf gegen Franco, natürlich auch für das von Verdad vergossene Blut, für ihre zornige Persönlichkeit, für die spanische Fahne (deren ergänzendes Gelb auch das zweite wichtige Kolorit des Bandes liefert). Das blaue Cover (und hier eben doch ein Link, denn das kann man im Netz sehen) führt in die Irre. Ebenso wie die abgebildete Gipfelsituation, die auf die Begeisterung für den Monte Veritá anspielt, während sich dann im Inneren fast alles gerade in bedrängten Situationen abspielt statt in Freiheit.

Vor allem jedoch macht Canottieres Seitenarchitektur staunen. Die Panels stoßen direkt aufeinander, sind zu Blocks angeordnet, die mittels schwarzer Linien unterteilt sind: auch hier Bedrängung, die aber umso spektakulärer aufgelöst werden kann, wenn plötzlich einzelne Bilder ohne Rahmen im Raum stehen,  etwa bei einer Explosion, einer Aussprache mit dem Kampfgenossen und Geliebten Enrique oder auch in der Traumvision der Sterbenden. Ganzseitige Panels wiederum schaffen Ruhepole statt Actionhöhepunkte in der Handlung, und der Wechsel der graphischen Handschriften vom eleganten Pastell-Realismus des Hauptgeschehens (der immer wieder an Lorenz Mattotti erinnert) bis zu rauhen Skizzen in den Phantasmagorien zeigt das große Können von Lorena Canottiere. 150 Seiten ist der Comic lang, und dass man keine missen möchte, liegt wie gesagt nicht an dem, was erzählt wird, sondern daran, wie erzählt wird.

Comic-Blogger Andreas Platthaus über gemobbte Elefanten und gewaltige Himalaya-Bilderwelten

Ein Elefant wird gemobbt

Fünf Jahre haben wir auf das neue Bilderbuch von Blexbolex warten müssen. „Unsere Ferien“ knüpft als Comic wieder da an, wo der französische Zeichner aus Leipzig ehedem begonnen hatte.

© Jacoby & Stuart

Der erfreulichste lebende Comic-Export, den Frankreich Deutschland hat zukommen lassen, ist Bernard Granger alias Blexbolex, der seit einigen Jahren in Leipzig lebt. Und dort offensichtlich zufrieden ist, denn seine dort gezeichneten Bücher sind  zauberhaft: „Jahreszeiten“ (2010), „Leute (2012), „Ein Märchen“ (2013) und nun nach immerhin fünfjähriger Pause „Unsere Ferien“. Gezeichnet werden sie immer noch für den französischen Markt, aber mit Jacoby & Stuart hat Blexbolex auch einen treuen deutschen Verlag gefunden.

Zu übersetzen gibt es bei ihm nicht viel, im neuen Band sogar überhaupt nichts außer dem Titel; Blexbolex erzählt seine Geschichte stumm. Sie ist simpel: Ein Vater, der mit seiner Tochter in den Ferien weilt, holt plötzlich noch ein weiteres Kind am Bahnhof ab, das die bisherige traute Zweisamkeit stört, zumindest aus der Sicht des Mädchens. Das versucht, den unerwünschten Gast wegzuekeln, und das gelingt auch. Nicht gerade der naheliegendste Stoff für ein Kinderbuch.

Aber ist „Unsere Ferien“ ein Kinderbuch? Aber zunächst einmal: Ist es ein Comic? Die zweite Frage stellte sich bei den drei Vorgängerbüchern von Blexbolex drängende, obwohl der Künstler in den neunziger Jahren zu den beeindruckendsten jungen Comiczeichnern in Frankreich gehörte und mit der Edition Cornelius auch einen der wichtigsten unabhängigen Comicverlage mitgründete. In seinem neuen Buch gibt es nun wieder Bildsequenzen, auch wenn einige Doppelseiten nur mit einer einzigen Illustration gefüllt sind. Doch wesentlich häufiger werden in die großen doppelseitigen Bilder kleine Panels eingesetzt, die das Geschehen fokussieren. Und es gibt auch Doppelseiten mit mehreren gleichgewichtigen Bildern, wobei Blexbolex stets auf Panelrahmen verzichtet: Gedruckt werden die Bilder bis an den Buchschnitt, und die kleinen stehen wie aufgelegt in den Seiten (Leseprobe). Aber auch wenn dieses seitenarchitektonische Element fehlt und es keine Sprechblasen gibt – „unsere Ferien“ ist ein Comic.

Als Bilderbuch mag es auch durchgehen, zumal Blexbolex seinen nostalgischen Stil noch einmal verstärkt hat. Alles wirkt wie in den fünfziger Jahren oder gar früher, was seinen Grund auch im erstaunlichsten Kunstgriff des Buchs hat: Den ungebetenen Gast zeichnet Blexbolex nicht als Mensch, sondern als kleinen Elefant. Die Assoziationen zu „Babar“, der erfolgreichen französischen Bilderbuchserie, sind evident, und durch die Fremdartigkeit des Tiers, das aber so agiert. Als wäre es ein kleiner Junge, bekommt die Verstörung des Mädchens über den Besuch eine Berechtigung, die nicht allein in Eifersucht besteht. Wobei man andererseits mit einem kleinen Elefanten, der fies behandelt wird, noch mehr mitleidet, als es bei einem realistisch gezeichneten Jungen der Fall wäre.

„Realistisch“ meint übrigens einen Realismus à la Hergé. Er ist der erkennbar wichtigste Einfluss für Blexbolex, gerade auch in den Bewegungen und Positionen seiner Figuren. „Flip und Flupke“ sind da Vorbild gewesen, mehr jedenfalls als „Tim und Struppi“ – schon allein des weniger abenteuerlichen Geschehens wegen. Seine Ligne claire, die hergétypisch gezeichnete Protagonisten wie in Puppenhäuser oder auf Modelleisenbahnanlagen versetzt, ist eine irritierende Erfahrung, weil Blexbolex die Farben mit dem Computer erzeugt und dabei eine leicht verwischte Druckqualität simuliert, die zur düsteren Gesamtstimmung entscheidend beiträgt.

Kein Buch also, das man unbesehen jedem in die Hand drücken sollte; ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber Kinderverhalten sollte schon toleriert werden. Dann aber wird man belohnt durch eine melancholische Nostalgie, die etwa von solchen Details ausgeht wie einem roten Schienenbus, der den kleinen grauen Gast befördert. Solche Gefährte konnte man in den siebziger Jahren auch auf deutschen Nebenstrecken noch im Einsatz sehen; in der Nähe meines Kindheitsdomizils bezeichnete man diese Nahverkehrsverbindung ironisch als „Balkanexpress“. So etwas wiederzusehen, ist eine Art Madeleine-Erlebnis. Aber Blexbolex ist ja auch im selben Jahr geboren wie ich.

„Unsere Ferien“ hat auch ein phantastisches Moment zu bieten: über nacht- und Tagträume des Mädchens, die an Hayao Miyazakis Filme erinnern. Große Bezugsgrößen also für einen eher kleinformatigen Band, der aber einmal mehr beweist, was wir an Blexbolex haben.


Auf dem Gipfel – thematisch und ästhetisch

Eine Überraschung aus Veteranenfeder kommt nach Deutschland: Der von Jean-Claude Fournier gezeichnete Himalaya-Comic „Die Windpferde“.

Wer kennt noch Jean-Claude Fournier? Jenen bald fünfundsiebzigjährigen französischen Comiczeichner, dem in jungen Jahren, mit fünfundzwanzig, die Bürde auferlegt wurde, eine der erfolgreichsten Comicserien der Welt fortzuführen, „Spirou“, und das auch noch als Nachfolger eines Publikumslieblings, nämlich des zuvor seit zwanzig Jahren dafür verantwortlichen André Franquins – der wenig später auch noch die Verwendung der beim Publikum populärsten Figur, das Marsipulami, in der Serie untersagte. Ein schwerer Start, aber Fournier machte einiges daraus, und weil seine Geschichten, die er im Gegensatz zu Franquin auch alle selbst schrieb, damals in den deutschen „Fix und Foxi“-Taschenbüchern erschienen, war er in den siebziger Jahren hierzulande eine Berühmtheit.

Das war dann 1980 vorbei, als nun Fournier „Spirou“ in andere Hände gab. Er wollte nicht länger festgelegt sein auf Figuren, die er nicht selbst entwickelt hatte, und mit seiner Arbeit an der Serie war deren zweitbeste Zeit ebenso vorbei wie Fourniers Ruhm in Deutschland. Zwar bleiben seine insgesamt neun „Spirou“-Abenteuer permanent verfügbar, aber von den zahlreichen weiteren Comics des Zeichners schaffte es nur die ähnlich gestaltete Serie „Bizu“ über die Sprachgrenze. Sie blieb erfolglos, es erschien kaum etwas von der umfangreichen Reihe, Fournier wurde vergessen.

Ganz vergessen? Nein, ein kleiner Verlag im pfälzischen Wattenheim, Salleck Publications, und sein nimmermüder Chef und einziger Mitarbeiter Eckhart Schott, haben einen Narren an Fournier gefressen. Ein Sonderband zu seinem Schaffen erschien schon 1995, und jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, hat Schott noch einmal zugeschlagen und Fourniers im Original zweibändigen Comic „Die Windpferde“  als Gesamtausgabe auf Deutsch herausgebracht. Ein Prachtband mit einem schönen Anhang, der Skizzen zur Geschichte enthält, und das für nicht einmal dreißig Euro.

„Die Windpferde“ kamen 2008 und 2012 in Frankreich heraus, in der anspruchsvollen Reihe „Aire libre“ des Dupuis-Verlags, bei dem auch „Spirou“ erscheint. Dort begab sich Fournier in Gesellschaft von solchen Großmeistern wie Baru, Christophe Blain, Blutch, David B., Nicolas de Crécy, Dupuy & Berberian und Emmanuel Guibert, um nur die mir Sympathischsten zu nennen. Das traute er sich nicht mit seinen eher auf humoristische Aspekte abstellenden eigenen Geschichten, sondern er setzte ein Szenario seines Kollegen Christian Lacroix alias Lax um. Das hatte Fournier selbst angeregt, allerdings nicht das Thema, und als ihm die Idee von Lax auf den Tisch kam, staunte er, denn weder mit Gebirgen im Allgemeinen noch mit dem Himalaya im Speziellen hatte der Bretone je etwas am Hut. Aber die Geschichte überzeugte ihn.

„Die Windpferde“ erzählen vom Leben einer Hirtenfamilie im indische Teil des Himalaya des mittleren neunzehnten Jahrhunderts. Nicht das historische Setting ist dabei entscheidend für den Reiz, sondern die Konstellation der Figuren: Ein stummer Sohn der Familie wird in die Obhut eines buddhistischen Klosters gegeben, um dort Mönch zu werden. Doch mit dieser aus der Not geborenen Entscheidung kommt der Vater nie zurecht, und Jahre später macht er sich auf die Suche nach dem verlorenen Sohn. Da die einzige Möglichkeit, ins abgeschottete Reich Mustang, in dem das Kloster liegt, zu gelangen, darin besteht, es als Spion für die englische Kolonialverwaltung in Indien zu versuchen, tut der Hirte genau dies. Und so kommt eine Abenteuerhandlung in Gang, die man sich auch von Kipling erdacht vorstellen könnte.

Aber das eigentliche Ereignis sind die Bilder von Fournier. Seine Bergwelt ist ein fest für die Augen, und die Aquarellfarben, die er benutzt, beschwören das ausgebleichte Hochgebirgslicht grandios herauf, in dem aber immer wieder winzige Zeugnisse menschlicher Anwesenheit kräftige Farbtupfer setzen. Bis dann das Kloster erreicht wird, und eine Orgie in Rot die Seiten füllt. Es ist oft in der Analyse von Bildern von Farbdramaturgie die Rede, aber selten sieht man sie so anschaulich vorgeführt wie in „Die Windpferde“. Und die Druckqualität der deutschen Ausgabe entspricht genau der französischen.

Der Titel verdankt sich übrigens den buddhistischen Gebetsfahnen, die im Himalaya mit dieser Metapher benannt werden, und man erfährt nebenbei einiges über die dortige Glaubenspraxis. Wie auch über die Geschichte einer Region, die selten im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht, wenn es nicht um Alpinismus geht. Nur das Lettering von Michael Beck fällt gegenüber Fourniers Original drastisch ab: zu dick die Buchstaben, zu gedränt die Zeilen. Marcel Le Comte hat aber flüssig und präzise übersetzt. Die Herausgabe dieses Buches ist eine Großtat. Und dass es Fournier auch noch gelingt, die wenigen europäischen Akteure eher karikaturesk zu zeichnen, während die Einheimischen realistisch dargeboten werden, das ist eine intelligente Umkehrung der klassischen frankobelgischen Comictradition.

Daniel Sibbe: „Mein Vorbild Sondermann…“ (5)

Daniel Sibbe, Sondermann-Stipendiat 2017, mit einer exklusiven Werkschau.

MEIN VORBILD SONDERMANN… und was daraus wurde (Folge 5)

Von Berufs- und Irrwegen

Um meine Karriere zum gefeierten Literaten voranzutreiben, habe ich mich zu einem radialen… pardon… radikalen Weg entschlossen. Denn wieschon… wiesch… wie schon die Werke von Hemingway, Bukowski und Fallala… hoppla, hihihi… Fallada zeigen: Die besten Geschichten schreibt immer noch die Leber selbst.

Unter Dichtern: „Darf ich Ihnen das lyrische Du anbieten?“

Alternative Romanenden:

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Als freischaffender Autor kann man sich seine Arbeit oft nicht aussuchen. Momentan bestreite ich meinen Lebensunterhalt mit der Realisierung obszön-ekliger Klappentexte für pornografische E-Books wie „Endstation Eros-Center“ oder „Bumsfidel im Bahnhofsklo“. Das ist zwar nicht befriedigend, aber immerhin sind mit solchen Sauereien 15 Euro die Stunde schnell zusammengeschrubbelt. Ganz ohne Schreiben.

(Fortsetzung folgt)