Sondermann-Gala 2019: Strich, Punkt und Prostata

Die diesjährige Sondermann-Gala war ein voller Erfolg. Ganz Österreich war anwesend, um der Verleihung des Hauptpreises (dotiert mit 5.000 Euro) an Nicolas Mahler und des Förderpreises (dotiert mit 2.000 Euro) an Stefanie Sargnagel beizuwohnen.

Durch den Abend führte der zwischendurch seinen Hut wechselnde Andreas Platthaus (er trug vor und nach der Pause Hut, aber nachher einen anderen als vorher). Ganz austriakisch spielte das Musiker*innen-Trio aus Markus Neumeyer, Ingrid El Sigai und Frank Wolff einen Walzer nach dem anderen, das Publikum in der Brotfabrik reagierte mit rhythmischem Beben. Nach einer Kurzvorstellung der erstmals auch auftretenden Sondermann-Stipendiat*innen Paula Irmschler und Adrian Schulz (das bin ich, der Autor dieser Zeilen), die ihrer Generation entsprechend launig-mürrisch einen floskelgespickten Praktikumsbericht ablieferten, fasste Festredner Patrick Bahners im Hauptvortrag „Der Berg ruft zurück“ die alpinen Referenzen im Sondermann-Oeuvre bündig zusammen.

Bild: In diesem Moment hatte die Sängerin Ingrid El Sigai ihren Mund geschlossen.

Laudator Tim Wolff, einer der „vielen Ex-TITANIC-Chefredakteure“ (Platthaus), übertraf sich fast selbst, als er seine Rede auf einen Satz herunterzukürzen und spontan die Bühne zu verlassen ansetzte, diese reichlich theatrale Geste aber kurzerhand doch wieder unterband. Denn der „alte weiße Mann“ (Wolff über sich selbst) hatte doch einiges zu sagen über die junge, erfolgreiche Frau aus Österreich, die, so Wolff, den Sondermann-Verein mehr fördere als er sie. Als Meisterin der kurzen Form, als Gönnerin und Könnerin würdigte Wolff die Cartoonistin und Autorin, die, sichtlich ungerührt, ihre neuesten Posts übers Bahnfahren und Hotelessen auf Lesereise vortrug, über Männer, Prostata, Deutschland und Österreich.

Bild: Förderpreisträgerin Sargnagel mit ihrem Scheck.

Der aktuelle TITANIC-Chefredakteur Moritz Hürtgen trug einige Gedichte aus seinem aktuellen Buch „Angst vor Lyrik“ vor und bewarb es nonchalant zum Kauf. Hans Zippert (Vorsitzender des Sondermann-Vereins) gab seinen diesjährigen Weltnachrichtenüberblick über Brötchen und die sonstige Lage und ehrte den ersten Ehren-Sondermanns Claus Wisser mit einer Ehrenmitgliedschaft. Danach war es genug mit der Ehre bzw. ging es damit erst richtig los, denn: Der Hauptpreisträger Nicolas Mahler wurde von Laudator und auch Ex-TITANIC-Chefredakteur Oliver Maria Schmitt in seiner Eigenschaft als „Meister der Linie“ (Schmitt über Mahler) eingeführt und sprach schließlich selbst, zeigte seinen Weg vom Underdog-Selbstverleger und Verwalter von Comicheft-Automaten zu einem der klügsten Zeichner der Gegenwart, der zwischen Suhrkamp-Hochkultur und Satiresumpf agil changiert.

Bild: Der Hauptpreisträger Nicolas Mahler mit Gabriele Roth-Pfarr vom Sondermann-Verein und Scheck

Falls Sie diesen Bericht lesen und selbst auf der Gala waren, wissen Sie ja ohnehin schon, was dort passiert ist, und wissen es vermutlich für sich selbst viel besser als ich, denn ich kann ja weniger gut für Sie Ihr Wissen wissen, das müssen Sie schon selbst machen, außer, Sie haben ein schwaches Gedächtnis, was natürlich total okay wäre; ich weiß es für mich gut und für Sie ein bisschen (s.o.). Falls Sie diesen Bericht lesen und selbst nicht auf der Gala waren, müssen Sie unbedingt auf die nächste gehen; ich weiß zwar noch nicht, was genau dort passieren wird (das wäre zu viel verlangt), bin aber sicher wie das Feuer der Erde, dass es oberaffengeil wird, wie wir jungen Leute sagen. Sonder and out.

Alle Bilder: Alexander Golz

Hans Traxler erhält Sondermann-Preis

Auszeichnung für sein Lebenswerk / Förderpreis für Kathrin Fricke

Der Sondermann e.V., die Vereinigung zur Bewahrung des Werks von Bernd Pfarr und zur Förderung der Komischen Kunst, verleiht ihren diesjährigen Sondermann-Preis dem Frankfurter Maler, Zeichner, Autor und Illustrator Hans Traxler. Die Auszeichnung wird am 11. November 2017, dem neunundfünfzigsten Geburtstag des Künstlers Bernd Pfarr, in der Frankfurter Brotfabrik im Rahmen einer Gala verliehen und ist mit 5000 Euro Preisgeld verbunden. Der „Sondermann“, der Oscar der Komischen Kunst, gehört damit zu den höchstdotierten Ehrungen, die in Deutschland in dieser Sparte vergeben werden. Der 1929 in Böhmen geborene Hans Traxler wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Mit der Arbeit für die Satirezeitschriften „Pardon“ und die von ihm mitbegründete „Titanic“ prägte Traxler die deutsche Satire genauso wie mit zahlreichen Buchpublikationen seit „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ (1963) und seinen Magazinveröffentlichungen unter anderem für die „Zeit“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Eine weitere wichtige Werkgruppe des Illustrators stellen Bilderbücher dar, darunter Klassiker des Genres wie „Fünf Hunde erben eine Million“, „Aus dem Leben der Gummibärchen“ und „Paula die Leuchtgans“. Besonders bekannt wurde die 1980 gemeinsam mit Pit Knorr entwickelte und von Traxler gezeichnete Darstellung des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl als „Birne“.

Der diesjährige Sondermann-Förderpreis in Höhe von 2000 Euro wird an die 1984 geborene Videokünstlerin Kathrin Fricke vergeben, die unter dem Pseudonym „Coldmirror“ einen eigenen YouTube-Kanal betreibt und auch als Rundfunk- und Fernsehmoderatorin für die Sender You FM und Einsfestival erfolgreich ist. Frickes ursprünglich aus dem Geist der Fantasy-Fanszene entstandenes humoristisches Rollen- und Vexierspiel hat eine fiktive Persönlichkeit hervorgebracht, die in bewusst dilettantisch inszenierten Sketchen und mit provokativer Sprache auftritt, ihre Videos werden millionenfach geklickt. Die Verleihung des Förderpreises an Fricke findet ebenfalls am 11. November 2017 in der Frankfurter Brotfabrik statt.

Zu den bisherigen Trägern des nach Bernd Pfarrs gleichnamiger Figur benannten Sondermann-Preises für Komische Kunst zählen unter anderen die Cartoonisten Michael Sowa, Christoph Niemann, Ernst Kahl und Hilke Raddatz sowie zuletzt der Schriftsteller Thomas Kapielski. Der Förderpreis ging im vergangenen Jahr an den Satiriker Jan Böhmermann.