Comic-Blog

ottitschStrahlemann, schwarzhumorig
von Andreas Platthaus

Als junger Cartoonist hat man’s nicht leicht, denn an den Stars kommt man nicht vorbei, und die Publikationsforen sind unbefriedigend. Umso schöner, wenn ein schönes Buch herauskommt wie Oliver Ottitschs „Einfach ausrasten“

Bis zum 24-Stunden-Cartoonfestival, das vom Duo Hauck & Bauer im vergangenen August in Berlin organisiert wurde und bei dem ich ein Sechstel moderieren durfte, kannte ich Oliver Ottitsch nicht. Den Zeichner zwar schon, durch seine Bilder, die in etlichen Zeitschriften zu finden waren und sind, aber nicht diesen freundlichen Österreicher – was für ein akustischer Genuss: Oliver Ottitsch aus Österreich; ich hatte diesen Wohlklang prompt verdreht – mit den blitzenden Augen, der so gar nichts vom schwarzen Humor seiner Cartoons hat.

Wie kommt also der reizende, 1983 geborene Grazer zu so boshaften Bildern wie dem Wechselspiel im Trainingscamp von Selbstmordattentätern („Jetzt du“, ruft der abgerissene Kopf dem noch heilen Kollegen zu) oder dem durch einen abgefallenen (und ich drücke mich hier harmlos aus) Körper des Gekreuzigten bebilderten Umsetzung der Volksweisheit „Nichts hält ewig“? Die finden sich in einem ausgesprochen schön gestalteten Band mit dem Titel „Endlich ausrasten“, den der mir zuvor unbekannte Linzer Verlag Scherz & Schund produziert hat – nach Kein und Aber jetzt mein Lieblingsverlagsname. Fast hundert Cartoons werden da gesammelt, eine Dramaturgie ist zwar nicht erkennbar, aber das Bestreben nach schöner Präsentation, was soweit geht, das es in der Mitte sogar eine Ausklappseite gibt, die den durch die plötzliche Panoramawirkung geschaffenen Überraschungseffekt zur Grundlage des Gags macht. Das muss sich ein Verlag erstmal leisten wollen.

Mit Ottitsch hat Scherz & Schund aber auch eines der wenigen echten Talente gewonnen, die der Cartoonsektor in Deutschland zu bieten hat. Nicht, dass der Markt daniederläge – die Erfolge von Joscha Sauer oder Ralf Ruthe, der mittlerweile legendäre Ruf von Rattelschneck oder beck (bei jeweils leider geringerem Erfolg) und das neue Vertrauen des „Spiegels“ in die Form des Cartoons, die jüngst zu einem festen Platz im Blatt für die Zeichnerin Kitty Hawk geführt hat, stimmen verheißungsvoll, doch in der Flut von Netzforen hat man zwar zahllose Publikations-, aber wenige Profilierungsmöglichkeiten. Daran scheitern manche begabte Zeichner und landen lieber in der Werbung oder arbeiten an umfangreichen Comicvorhaben, denn wenn man sich schon ausbeutet, dann wenigstens für etwas, an dem das eigene Herz wirklich hängt. Da kommt ein so schönes Buch wie das von Ottitsch gerade recht, um zu signalisieren, dass hier jemand kommt, mit dem man als Cartoonist rechnen sollte (Leseprobe hier).

Die Erbschaft, die Ottitsch antritt, ist unschwer zu erkennen: natürlich Rattelschneck betreffs der Drastik des Humors, aber auch Til Mette, OL oder Stefan Rürup scheinen Pate gestanden zu haben. Das Themenspektrum ist breit, und nicht zuletzt die Genreparodien oder noch besser gesagt: Genreverhohnepiepelungen sind äußerst amüsant. Etwa er Superheld Captain Paradoxon, der einem – auch extrem witzig gezeichneten – Superschurken auf dessen Todesdrohung antwortet: „Nur über meine Leiche!“ Oder der Hinkelsteinlieferant Obelix auf dem Weg zur Steinigung. Oder am allerschönsten: Unlucky Luke, der Mann, der sich schneller erschießt als sein Schatten. Auf diesen Bildwitz sollte die ganze Zunft neidisch sein.

Natürlich gibt es auch einiges Bemühtes, für ein Best-of ist Ottitsch denn doch noch nicht lange genug im Geschäft. Bisweilen verlässt er sich zu sehr auf den Wortwitz und vernachlässigt die Zeichnung. Für einen Einfall wie die Verballhornung von Pontius Pilatus zu Pontius Pilates aber braucht man das Bild, und gerade dann ist der im besten Sinne aufs Notwendige reduzierte Strich von Ottitsch perfekt. Der Schriftsteller, der auf einem Blatt unter seinen Vorlesetisch greift und dazu mit Blick aufs Publikum denkt: „Wenn das Pathos nicht wirkt, habe ich immer noch das Tränengas!“, könnte auch einfach „Endlich ausrasten“ einsetzen. Tränen sind da garantiert, und es sind keine aus Traurigkeit.

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