TITANIC-Ausstellung in München

Am 28. Mai eröffnet im Valentin-Karlstadt-Musäum in München die TITANIC-Ausstellung „Hier lacht der Betrachter“. Zu sehen gibt es die besten Zeichnungen der vergangenen Jahrzehnte aus der beliebten Rubrik plus einige Karikaturen von Hilke Raddatz. Selbstverständlich wird auch Sondermann mit von der Partie sein.
Kuratiert wird die Ausstellung von Heiner Lünstedt, dem Leiter des Comicfestival München, in Zusammenarbeit mit dem Caricatura Museum Frankfurt und der TITANIC-Redaktion. Mehr Infos gibt es hier.

Leonard Riegel: Vom Greizeljopp

Es kam der Tag, an dem Graf Adolf-Adolf IV. beschloss, seiner Regentschaft über Odelslohe-Striegnitz ein wenig Schwung zu verleihen. „Immer dasselbe in der Grafschaft!“, klagte er, „Festmahle, Fuchsjagd, Mätressenprellen. Und das Volk täuscht die Freude an der Knechtschaft auch nur noch vor. Ich bin es leid!“

Er brüllte seinen Diener herbei: „Diener, ich habe eine Idee, wie wir das Glück in unserem Lande mehren.“ – „Wie denn, Euer Erlaucht“, fragte der herbeigeeilte Diener, „durch Steuersenkungen? Oder den Bau eines Stadtgartens?“ – „Nun übertreib nicht gleich!“, unterbrach ihn Adolf-Adolf, „ich dachte an ein Wappentier.“ – „Ein Wappentier?“, fragte der Diener dumm. „Ja, ein Wappentier“, erwiderte der Graf nicht minder dumm, „Eines, das Freude bereitet, wenn man es am Stadttor prangen sieht. Eines, das die Seele des Volkes erquickt und welches noch nie zuvor gesehen ward.“

„Hm“, überlegte der Diener, „Warum soll es nur ein einzelnes Tier sein? Warum nicht gleich mehrere Tiere in einem?“ – „Bravo“, rief der Graf, „sieh an: Manchmal bist du doch zu etwas nütze, alter Faselhannes! Ja, ein Mischwesen soll es sein: halb Hund, halb Schwein, aber mit der Großmut einer Ente und der Besonnenheit der Fische! Dem Tümpel des Eichenwaldes soll es entsteigen und sein nächtliches Jaulen soll die Dämonen strafen.“

Der Diener kam mit dem Schreiben kaum hinterher, so schnell sprach der Graf, der sich munter den Ausschlag unterm Gehrock kratzte. „Der Hofnarr möge die Legende im Volk verbreiten!“, befahl er, „und der Maler sein Bild dutzendfach verbreiten! Hast du alles mitgeschrieben?“– „Sehr wohl, Euer Erlaucht, jedoch fehlt noch etwas: der Name. Wie soll sie denn heißen, Eure Kreatur?“– „Na, wie wohl“, blaffte Adolf-Adolf, „das Greizeljopp!“ Da glotzte der Diener erst blöd und notierte dann den Namen.

Doch wie kurze Zeit darauf das Bildnis des neuen Stadttiers sämtliche Straßenzüge zierte und der Hofnarr nicht müde wurde, die Legende des Greizeljopps zu verbreiten, da geschah etwas Merkwürdiges: Niemand interessierte sich für das neue Wappentier. Allenthalben nur Achselzucken und Naserümpfen. Und nicht nur das: Die freundlich-süße Erscheinung des Greizeljopps nahm der Stadt jegliche Erhabenheit. Streunende Banden überfielen Odelslohe-Striegnitz zur erstbesten Gelegenheit, plünderten es und errichteten eine Herrschaft von Terror und Frevel. Noch auf dem Schafott soll Adolf-Adolf das Greizeljopp, sein eigenes Geschöpf, lauthals verflucht haben.

Ein Mischwesen soll es sein: halb Hund, halb Schwein, aber mit der Großmut einer Ente

Dies aber ist sein einziges noch existierendes Bildnis aus jener lang vergangenen Zeit. Bis heute dient es als Mahnmal gegen Frohsinn und Possierlichkeit. So, liebe Kinder, und jetzt ab in die Kantine! Es gibt Waffeln, auf, auf!

Leonard Riegel, Sondermann-Preisträger 2015

Hörspiel-Tipp: „The winner is … Das Sonderpreisdebakel“ (SWR2, 8.11.2018, 22.03 Uhr)

The winner is … Das Sonderpreisdebakel

Hörspiel von Oliver Maria Schmitt und Hans Zippert

Drei Tage vor Karneval geht‘s schon bei SWR2 los: Was ist da nur schiefgegangen im Stuttgarter Studio? Da streiten ein zweitklassiger Moderator und ein drittklassiger Literat um die Vergabe eines Kulturpreises.

Kaum ist der Vorhang gefallen, treffen die Kontrahenten aufeinander: der enttäuschte Bestecher und der überforderte Conferencier, der sich gerade live vor Publikum um Kopf und Kragen geredet hat. Kann man eine angesehene Auszeichnung denn einfach so kaufen?

Wer entscheidet überhaupt, ob jemand preiswürdig ist? Oder ist alles nur eine Frage der richtigen Verbindungen? Fragen, die sich nach dem Skandal um den Literaturnobelpreis immer drängender stellen.

Schmitt und Zippert wissen genau, wie die Preisvergabemaschine funktioniert. Beide haben Auszeichnungen gewonnen und Auszeichnungen vergeben. Beide sitzen in der Jury des Kulturfördervereins Sondermann e. V., beide kennen die Mechanismen des Kulturbetriebs und haben reichlich davon profitiert. In ihrem satirischen Hörspiel decken sie auf, was hinter den Kulissen tatsächlich passiert. Sie zeigen, wie man Einfluss auf eine Jury nehmen kann, welche Geldsummen fließen müssen und dass der Kulturbetrieb wohl noch viel korrupter ist, als man immer schon vermutete. Ihnen zur Seite steht Bernd Eilert, Autor für Otto Waalkes und »Titanic«-Mitbegründer, ein Mann, der mit allen Preiswassern gewaschen ist. Er berichtet, wie es ihm einmal gelang, sich als Juryberater selbst zur begehrten Auszeichnung zu verhelfen.

Ausstrahlung am Donnerstag, den 08.11.2018 um 22.03 Uhr auf SWR2

Alle Infos zur Sendung gibt es hier!

„Bernd Pfarr und die Literatur“ am 5.11.2018 im Literaturhaus Frankfurt

Heissa!! Und jetzt geht’s in’s Marienwäldchen!

Bernd Pfarr (1958–2004) gehört zu den bedeutendsten Bild-Erzählern, die Deutschland je hervorgebracht hat: unverwechselbar als Zeichner, virtuos als Maler, brillant als Autor, insbesondere durch seine Figur Sondermann. In seinem Werk ist die Literatur allgegenwärtig, ob er Gogol, Melville oder Strindberg in vier Bildern nacherzählt, ob Sondermann Gedichte im „Verein der Freunde der Würzmittel“ rezitiert oder die Automechaniker Dulle und Kapuste „Das Schloss“ diskutieren. Bernd Pfarrs Wegbegleiter, F.A.Z.-Redakteur Andreas Platthaus und Autor Bernd Eilert sowie der Schriftsteller Martin Mosebach und Cartoonist Leo Riegel, betrachten und erörtern Bernd Pfarrs Bezug zur Literatur, seine Vorlieben und Referenzen. Gezeigt werden eine Präsentation mit einer Auswahl seiner Arbeiten sowie Fernsehbeiträge, die den Künstler, der in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden wäre, selbst zu Wort kommen lassen.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Carlsen Verlag statt.

Montag, 5. November 2018 um 19.30 Uhr im Literaturhaus Frankfurt, Schöne Aussicht 2, 60311 Frankfurt am Main

VVK-Tickets sind hier erhältlich.

Daniel Sibbe: „Mein Vorbild Sondermann…“ (7 und Schluss)

Daniel Sibbe hat endlich sein Ziel erreicht. Er ist Sondermann-Stipendiat 2017. Doch zu welchem Preis? Nach Abschluss seiner 3-monatigen Praktikantenzeit in der Redaktion der TITANIC erreicht den Verein der erschütternde Brief eines anscheinend gebrochenen Esels, Entschuldigung! Menschen.

MEIN VORBILD SONDERMANN… und was daraus wurde (7 und Schluss)

Dortmund, am Ende aller Tage

Sehr geehrte Frau Roth-Pfarr, sehr geehrter Herr Schmitt,

in den zurückliegenden drei Monaten war ich als Praktikant den Gelüsten und Launen eines Chefredakteurs in der Götterdämmerung seiner letzten Amtsmonate ausgesetzt. Ich musste niedere Arbeiten verrichten (Kaffee konsumieren, Drogen kochen, Abo-Werbeanzeigen schreiben etc.) und wurde von ihm und seiner Entourage schief angeguckt, wenn ich um 13 Uhr wie immer der erste im Büro war. Für meine „Kollegen“ „durfte“ ich den täglichen Berg an Tages- und Wochenpresse nach Titel und Datum sortieren. Hämisches Lachen und fröhliches Zuprosten drang bereits aus den Büros, während ich mich insbesondere nach den Wochenenden noch bis in den späten Abend hinein durch Berge von Altpapier weinte. Einmal steckte ich sogar heulend vor Wut heimlich einen „Focus“ in den archivierten „Stern“-Stapel und konnte daraufhin die ganze Nacht nicht schlafen. Erleichtert stellte ich am nächsten Tag fest, dass noch niemand meine gedankenlose Kühnheit bemerkt hatte – es war glücklicherweise ja auch erst kurz nach Mittag. Trotz der unermüdlichen Plackerei kann mancher Uralt-Redakteur bis heute mein Gesicht nicht meinem korrekten Namen zuordnen, wie dieser Paul Knorr.

Die freudlosen Nächte verbrachte ich einsam in einer kargen Hinterhofwohnung ohne fließend Internet. Diese wurde mir von einem Jungredakteur gegen Vorkasse (Frankfurter Mietspiegel!) überlassen, der mit seiner Freundin daraufhin ins mondäne Offenbach zog. Schnell wurde mir klar, dass die angeblich so verkehrsgünstige Bleibe zudem nur umständlich mit dem Zug zu erreichen war (Fußweg zur Bushaltestelle, Bus: Dortmund Kuithanstraße – Dortmund Hbf, Zug: Dortmund Hbf – Frankfurt Hbf, U-Bahn: Frankfurt Hbf – Bornheim Mitte, Fußweg zur Wohnung → Dauer: Minimum 3 Stunden).

Im Bockenheimer Redaktionsgebäude ging die mir täglich zugedachte Praktikantenpein weiter: Bis 13 Uhr war ich allein im Büro dem Telefonterror mutmaßlicher Terroristen ausgesetzt, die am anderen Ende der Leitung entweder schwiegen, ein unheimliches Glöckchen klingeln ließen oder leise kicherten („Hihi, der macht sich vor Angst jetzt in die Hose, oder Moritz?“ – „Bestimmt, Torsten!“). Nachmittags musste ich immer dem Paketboten öffnen, während alle anderen in ihren kugelsicheren Westen unter den Schreibtischen kauernd auf die Art meines Ablebens wetteten.

Man titulierte mich in einem heruntergekommenen Club vor fremden Leuten mikrophonverstärkt mehrmals als „ältesten Praktikanten der Welt“. Mit solch beschädigtem Ruf wurde ich beim Vortragen meiner Texte vom Publikum ein ums andere Mal offen verlacht.

Das schlimmste jedoch war immer dieser eine Freitag im Monat. Ich wurde bis spät in die Nacht gezwungen, die grauenhaften Heftbeiträge der anderen zu lesen und auf Fehler hin zu korrigieren. Doch statt wie angemessen mit einem dicken, roten Edding diesen Machwerken zu Leibe zu rücken, wurde mir ein billiger Plastikkugelschreiber in die Hand gedrückt. So konnte ich lediglich hier und da mit dünner Mine auf einen unpassenden Ausdruck oder eklatanten Zeichensetzungsfehler hinweisen oder falsch geschriebene Wörter (Siebbe, Sibe, Sebbi etc.) bemängeln, Meist schleppte ich mich von diesen Akkordschichten erst gegen Morgen wieder (natürlich als letzter) wie betrunken zurück in mein Bernemer Pritschenlager.

Und als sei das nicht genug an Repressalien, wurde ich auch noch per fernmündlichem Knebelvertrag für ein Jahr an die Internetpräsenz eines Kunst- und Kulturvereins gebunden. Dabei wähnte ich mein früheres Leben als Förderschullehrer mit seinen ganz realen Sondermännern, -frauen und -lingen doch bereits hinter mir.

Nun sitze ich drei Monate später apathisch ins Leere starrend wieder zu Hause. Meine Frau hat mich verlassen („Ich bin arbeiten!“), der eigene Sohn ebenso („Ich bin im Kindergarten!“) und die Kasse lehnt einen Aufenthalt im Sanatorium mit der Begründung, ich solle mich nicht so anstellen, schließlich sei ich kein „Zeit“- oder „SZ“-Voluntär gewesen, ab.

Ich bitte den Verein daher um eine milde vier- bis fünfstellige Gabe, damit ich als Sondermannstipendiot, der nicht vergessen kann, zumindest zu vergeben vermag.

Mit letzten Grüßen

Daniel Sibe Sebbi Sibbe

Daniel Sibbe: „Mein Vorbild Sondermann…“ (6)

Daniel Sibbe, Sondermann-Stipendiat 2017, hat sein Ziel fast erreicht. Nur welches? Zuvor plagen ihn allerdings noch einige Zipperlein an Leib und Seele (Kopf, Kopf und Kopf).

MEIN VORBILD SONDERMANN… und was daraus wurde (Folge 6)

Erste letzte Züge

Um nach einer schmerzhaften, aber äußerlich nicht sichtbaren Zahnwurzelbehandlung das den Schmerzen angemessene Mitleid zu erzeugen, sollte man zusätzlich zum betäubten, herabhängenden Mundwinkel auf dem Nachhauseweg noch einen Arm schlaff nach unten baumeln lassen und ein Bein nachziehen. Bedauernde Blicke und Worte („… noch so jung!“) garantiert!

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Ich, Mitte dreißig und nach wie vor Single, ertappe mich in letzter Zeit immer häufiger dabei, mit Wehmut auf die langjährigen Beziehungen in meinem Bekanntenkreis zu blicken. Bisweilen fehlt es mir doch sehr an dieser innigen partnerlichen Verbundenheit, die sich zum Beispiel in der liebenswürdigen Schrulle äußert, einander die Sätze gegenseitig zu ergänzen. Auch meinen Freunden ist diese Melancholie nicht verborgen geblieben. Ihre Sorge, ich hätte aufgrund meines Alleinseins mittlerweile depressive Züge und eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung entwickelt, die therapeutischer Hilfe bedarf, teile ich allerdings nicht. Das kann nämlich schließlich keiner besser beurteilen als …

Du, Schatz!

(Fortsetzung folgt)