Comic-Blog

koenigWenn’s explizit wird, übernimmt der Kollege
von Andreas Platthaus

Ralf König erzählt in seinem neuen Comic von Risiken und Nebenwirkungen der Pornographie. Die dafür notwendigen Filmszenen lässt er von Nicolas Mahle zeichnen. Heraus kommt ein Geniestreich: „Porn Story“

Man kann nicht behaupten, dass sich Ralf König übertriebener Zurückhaltung befleißigte, wenn es um explizite Sexualität geht. Doch seine Comics waren immer geschickt aufgeteilt in Hardcore und Softcore. Letzterer fand sich meist beim großen Rowohlt Verlag, bei dem König schon 1987 seinen kommerziellen Durchbruch mit „Der bewegte Mann“ erlebt hatte, ersterer kam meist Männerschwarm zugute, Königs ursprünglicher Heimat in der schwulen Verlagsszene. Das beste Beispiel für diese „Arbeitsteilung“ war der Doppelband „Raumstation Sehnsucht“ und „Barry Hoden“ aus der Serie „Konrad und Paul“, dessen erster, eher konventioneller Teil bei Rowohlt erschien, während die Science-Fiction-Parodie „Barry Hoden“ bei Männerschwarm herauskam. Dort konnte es naturgemäß unverbrämter zugehen als im Programm eines Publikumsverlags, wobei man König bescheinigen muss, dass er in den fast dreißig Jahren seit „Der bewegte Mann“ immer drastischer, aber auch immer geschickter bei der Darstellung von Sexszenen geworden ist. Die dramaturgische Einbindung in die Geschichten ist so zwingend, dass man als Leser an der Notwendigkeit ihrer Darstellung nicht zweifelt.

Das unterscheidet Königs Comics von Pornographie, und so ist es auch beim neuesten Band, der sich pikanterweise Pornofilmen widmet. Den heterosexuellen allerdings, denn wie es im Comic einmal so schön heißt: „Schwule Pornos sind politisch korrekt“ – keine Erniedrigung eines Geschlechts. Gegen politische Korrektheit zeichnet König an, also konnte ihn das homosexuelle Pornogeschäft als Thema nicht reizen. Und so ist eine Geschichte entstanden, die weitgehend unter Heterosexuellen spielt (eine kurze schule Episode gibt’s zum Ende hin). Sie heißt „Porn Story“.

Der Handlungszeitraum deckt das bisherige Leben des in der Provinz lebenden Familienvaters Eberhard ab, von der Kindheit, in der er die versteckten Super-8-Pronofilme seines Vaters entdeckt, über die Zeit als junger Erwachsener, der seinem besten Freund Friedhelm zum Geburtstag die gemeinsame Teilnahme als Laiendarsteller bei Dreharbeiten für ein Porno-Video schenkt, bis zu dem Tag, als seine Frau Sophia zufällig auf dem Speicher die Porno-DVDs ihres Mannes findet und zunächst ihren elfjährigen Sohn Florian verdächtigt, der aber für solche Dinge längst das Internet nutzt. Die rund dreißig Jahre der – wieder einmal komplett schwarzweiß gehaltenen – Handlung sind also auch eine Mediengeschichte ihres zentralen Vehikels (Leseprobe hier).
Doch das Verhältnis zur Pornographie hat sich nicht wesentlich verändert, und das Verhalten der Männer schon gar nicht. König hat einen sichtbaren Heidenspaß am abermaligen Ausflug in die sexuellen Verdruckst- und Verlogenheiten heterosexueller Paare, denen er sich so gern widmet. Dass seine Frauen dabei entweder nahe an der Hysterie oder als abgeklärte Zynikerinnen auftreten, dürfte sein Publikum gewöhnt sein. Und die Homophobie der niemals braven Ehemänner, die irgendwann durch die Zuschaltung eines grundvernünftigen schwulen Freundes als grotesk entlarvt wird, hat man auch schon oft gelesen.

Das vermindert aber das Vergnügen bei der Lektüre um keine Nuance, denn König bietet auch einiges Neues. Vor allem wenig expliziten Sex (wir sind bei Rowohlt), vor allem aber gar keinen homosexuellen. Wobei es durchaus explizit zur Sache geht, nämlich in den Filmen. Deren Darstellung aber hat König dem Wiener Kollegen Nicolas Mahler überlassen, der diese Aufgabe mit seinem bekannt abstrakt-karikaturesken Figurenstil brillant löst. Die in der Tat geschmacklosen Filmszenen, die sämtlich nach authentischen Pornovideos entstanden sind, kommen so apathisch daher, dass nichts davon sexuelle schockieren, geschweige denn reizen könnte. Dafür amüsieren sie aufs Beste.

Die Porno-Dreharbeiten in Frankfurt (ein Lieblingsort von König in den letzten Jahren; immer wieder verschlägt es Figuren hierhin) zeichnet allerdings Ralf König selbst, allerdings sieht man nie das Resultat. Das ist nur konsequent, denn so ist die Porno-Ästhetik im Buch allein Mahlers Sache. „Das könnte ich mir als angenehme Abwechslung zu Robert Musil vorstellen“, schreibt typisch lakonisch der Wiener Zeichner, der damals gerade die Adaption des „Manns ohne Eigenschaften“ beendet hatte, im vorbereitenden E-Mail-Wechsel an König. Dass dieses die Arbeit am gemeinsamen Band begleitende Korrespondenz im Anhang als „Bonus-Material“ zusammen mit einigen Skizzen abgedruckt ist, darf als letzter Geniestreich dieses Comics gelten. Er ist hochkomisch und hochvirtuos, und er setzt unerwartet nach einem Vierteljahrhundert etwas fort, was König damals mit Walter Moers in dem Piccoloband „Schwulxx-Comix“ schon begonnen hatte (und mit dem Elefant von Otto Waalkes in „Dschinn Dschinn“ immerhin schon einmal zitiert hatte): die Zusammenarbeit mit einem anderen stilistisch unverkennbaren Zeichner. König erweist sich hier einmal mehr als überaus intelligenter Szenarist, der die spezifischen Stärken seiner Kollegen in den eigenen Geschichten perfekt einzusetzen weiß. „Porn Story“ ist ein veritables Meisterwerk. Allerdings wohl nicht so leicht verfilmbar wie „Der bewegte Mann“.

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